Bulletin Nr. 5 – Sydney – 2. Adventstürchen

Bulletin Nr. 5 – Sydney – 2. Adventstürchen mit Verspätung

Nachdem die Schnellboote vom 1. Advent fast vergessen sind und so vieles zwischendurch erfreut, erschreckt und ergötzt hat, gibt es einen großen Sprung nach Sydney, der Weltstadt am Pazifik, die mit Hilfe finanzkräftiger Investoren versucht, an die anderen Großstädte der Welt anzuknüpfen. Natürlich mit den gleichen Symbolen der Welthochfinanz. Ein Hochhaus neben dem anderen, damit eine Skyline entsteht, die ihresgleichen suchen soll. Wenn ich die Bilderreihe der besuchten Großstädte Peking, Shanghai, Honkong und Brisbane vor meinen Augen abspiele, dann sehe ich keine großen Unterschiede mehr. Die Damen und Herren Protz von und zu Protzhausen haben hier auf jeden Fall das Sagen, wie überall. Aber keine Frage: Sydney ist eine wunderschöne Stadt, weil es sich über so viel Fläche mit den unterschiedlichsten Baustilen verteilt und der Pazifik viele Finger in die hiesige Landschaft streckt. Für Stadtliebhaber sicher eine weit größere Bereicherung als für mich.

Der folgende Bericht erhebt keinen Anspruch auf Neutralität. Ich schreib´s, wie ich den Besuch erlebt habe. Möglicherweise wiederhole ich auch Dinge aus
früheren Erlebnissen. Man verzeihe mir meine Faulheit, dieses zu überprüfen.
Den Tag in Sydney hatte ich mir mit dem Sightseeing-Bus vorgestellt und dem Abwalken einiger besonders schöner Punkte. Um 10,30 sitze ich im Doppeldecker, natürlich ganz hinten und lasse mich durch eine wohlbekannte Kulisse kutschen. – Hochhäuser, Skyline, Straßenverkehr bis zum geht nicht mehr. Ein Unterschied gibt es. Zeitweise fährt man in englischen Kolonialzeitenstraßen mit den dafür typischen Gebäuden. Wie halt in anderen Städten auch durch Straßen gefahren wird mit alten Gebäuden, um den Nostalgiesinn zu bedienen.

Im Hafen stieg ich aus dem Bus und fing mein Besichtigungsprogramm an. Als erstes Richtung Harbour Bridge, ein wirkliches technisches Wunderwerk in Form einer Stahlbrücke, die den Hafen überspannt. Von 1923 bis 1932 erbaut, misst sie insgesamt 1149m Länge und 49m Breite. Die längste Spannweite beträgt 503 m. Autos, Züge und Fußgänger dient sie als Verbindungsbrücke der beiden Stadtteile.
Natürlich gibt es auch hier einen Hot Spot. Man kann die Brücke mit einem Guide besteigen, muss aber dazu aus Sicherheitsgründen in einen blauen Strampelanzug schlüpfen. Im großen Foyer laufen an der Wand permanent die Pay-Fotos der Badman-Kostümierten. – Die Erinnerungen an die Quallenanzüge beim Korallentauchen kamen hoch und das ganze Brimbamborium und AUS war´s mit Steigen. Stattdessen habe ich mir das Baumuseum angeschaut – da war ich alleine – das die ganze Geschichte des Brückenbaus sehr gut darstellt mit Originalfotos aus dieser Zeit. Ich war zufrieden, die Brückenstürmer hoffentlich auch.

Im Anschluss bewanderte ich das neue Hafenviertel „Rock“, das aus vielen ehemaligen alten Lagergebäuden und Büros neu hergerichtet wurde und wird. Wie in London, Hamburg, oder sonstigen Hafenstädte entstehen teuren Luxuswohnungen und Hotels, werden ehemals günstigere Gebäude wegsaniert oder von den Erben teuer verkauft. Obwohl die Architekten sich bemühen, Duftmarken zu setzen, gibt es einen klaren Trend, der sich über alles betrachtet doch in sehr ähnlichen, architektonischen Ausdrucksweisen wiederfindet. Es gilt die Maxime: Geld darf keine Rolle spielen. Käufer gibt es genug, die Preise sorgen dafür, dass Gleiche zu Gleichen kommen.

Hier treffen sich zum Frühstück, Lunch, Kaffee etc. die Leute aus den umliegenden Hochhausbüros und Banken in ihren schicken Hosen, Kleidchen und neuesten Modedesign-Schuhen um sich gut zu fühlen. Und genau in diesem Viertel befindet sich das kostenlose Australien-Geschichts-Museum, dass sich in eindringlichen Art und Weise – mit Fotos und Gegenständen – mit der Geschichte der Aborigines und deren Vertreibung aus dem Paradies beschäftigt. Ebenso findet man hier die gesamte Geschichte der Kolonialisierung, die von den Portugiesen um 1450 angefangen wurde und im Wettstreit mit Spanien zur Hochform auflief. Franzosen und Engländer wollten nicht zurückstehen und mischten aber dem 17. Jahrhundert ebenso mit, was natürlicherweise zu Kriegen und Seeschlachten und vielen kleinen Scharmützeln um die Kolonien führte. Der Herrenwechsel in den Kolonien brachte den Enteigneten in der Regel noch mehr Unheil, weil sie sich ja mit den bisherigen Herren einlassen mussten und von daher zunächst dem Feinde zugerechnet wurden.
Am Ende war die Erde aufgeteilt in Staaten und Kolonien. Der Gegensatz von dargestellter Geschichte und dem heutigen Hafenviertel könnte nicht größer sein. Beeindruckend und gleichzeitig auch bedrückend, mit welcher Ignoranz Europa der Welt den Stempel aufgedrückt hat.

Nach dieser Bestätigung dessen, was man zwar überschlägig aber nicht in einer solchen Eindeutigkeit wusste, marschierte ich zur Kathedrale von Sydney, dem Opernhaus. Weltbekannt mit seinen weißen Segeln und an einer imposanten Stelle an der Hafeneinfahrt. Nicht zu verfehlen. Man musste nur im Hafen sich auf Gruppen mit asiatischem Aussehen konzentrieren und deren Laufrichtung aufnehmen.

Zwischendurch passierte ich noch das gerade im Hafen liegende Traumschiff, „Radiance oft the sea“, das gerade mit Sattelschleppern mit Proviant und mittels Bussen und Taxis mit Passagieren beliefert wurde. Eine riesige logistische Herausforderung und ein Spektakel, wenn man nicht daran beteiligt ist. 2500-3000 Passagiere müssen an Bord gebracht werden und mindestens ebenso doppelt so viele Gepäckstücke. Die wiederum ganz schöngroß und schwer wenn man den Gepäckträgern beim Heben zusah. Der Beladevorgang mit Mensch und Verköstigung muss in 8 Stunden erledigt sein, damit das Schiff pünktlich um 20 Uhr den Hafen verlassen und mit dem Seestechen beginnen kann. Warum das „in See stechen“ heißt, ist mir noch nie klar gewesen im Gegensatz zum Stechschritt, den man von vielen Paraden aller Militärnationen der Welt kennt oder das Fass anstechen bei Volksfesten, wenn das Bier über einen ungeübten Jungbürgermeister und die darum stehenden Hoheiten spritzt.

Aber jetzt zum Petersdom von Sydney:
Auf dem weiteren Weg habe ich zufällig eine Stuttgarterin getroffen, die für 10 Wochen einen Sprachkurs in Cairns absolviert hatte und noch eine Woche Sydney erleben möchte. Ich hatte zufällig mitbekommen, wie sie zig Aufnahmen von sich machte, aber dabei immer unglücklicher in die Kamera schaute. Als Pfadfinder hab ich´s kurz gemacht und auf Deutsch gefragt, ob ich das Foto machen soll, was zunächst mit einem überraschten, aber dann doch sehr freudigem Gesicht beantwortet wurde. Dass sie Deutsche war, konnte man irgendwie sehen, dass sie Schwäbin war nicht, weil ihre Bekleidung in keiner Weise der schwäbischen Sparsamkeit zum Opfer gefallen war. Im Gegensatz zu den Engländer- und Australierinnen, die hier offensichtlich eine neues Luft- oder Lustshirt einführen. Die Vorder- und Hinterteile der Blusen sind nur noch an den Schultern verbunden, womit der Wind quer durchpusten kann. Damit die darunter wogenden Oberweiten auch gut belüftet und – von den Trägerinnen wahrscheinlich gewünscht – auch besichtigt werden können, wird auf das Tragen von irgendwelchen sonstigen Teilen verzichtet. :) Erinnert an das Lied: „Wiegende Wellen unter wallendem Nichts…..“ oder so ähnlich aus den Zeltlagerzeiten.

Und dann stand ich vor ihr, der Königin der Opernhäuser der Welt als leuchtender Musik-8-Master, der auf einer Welle aus Treppen hinaus in die weite Welt segelt. Eine wahrlich imposante Erscheinung, die so schnell nicht getoppt werden wird. Hier stimmen die Proportionen, das Thema in der Landschaft und im Inneren natürlich die überragende Tontechnik. Auch die Anzahl der Schaulustigen hielt sich in Grenzen.
Allerdings schien es mir aussichtslos alle Anwesenden zu bitten, die Treppen und den Platz für ein paar Minuten zu räumen, damit ich Fotos für meine Verwandten im Schwarzwald machen könnte. Außerdem war die überwiegende Mehrheit vom Aussehen her asiatischer Herkunft und meine versuchsweise Frage: „Can you go out the way, I must make ä foto from the operaship for the blackforeschd- relationships?“ wurde auch bei mehrmaligem Wiederholen mit unterschiedlichen Betonungen nicht verstanden. Alle bestätigten nur, dass es gute Relationships zu Germany gäbe.
Der Platz und die Treppen wurden dadurch nicht leerer, aber mein Gesicht immer nässer vom Schwitzen an diesem Tag. Gott sei Dank nicht nur bei mir. Gut die Hälfte waren Achselnässer/innen, 80% aller Stirnschweißer/innen, Gut dass der Wind einigermaßen wehte und die nassen Ergebnisse der Transpiration in Wasserdampf umwandelte und die Lüfte des Hafens beförderte. An diesem Ort hätte mir vielleicht das bereits erwähnte Deo geholfen, das Felix für andere Formen körperlicher Ausdünstungen auf unserer Reise dabei hatte. Ich meine es hieß Rex Turbo.

Eine deutsche Führung wurde nicht angeboten, da 95% der Besucher aus dem asiatischen Raum kommen. Die sprachlich versierten Opernhausführer sind entsprechend auf dieses Publikum geschult. Da es aber große PC´s gibt mit Google-View, kann man das Innere des hohen Hauses der klassischen, wie der modernen Musik zumindest optische selbst erkunden. Im Hintergrund laufen ständig Originalaufnahmen von Konzerten in bester Tonqualität.

Mein Fazit: Ein architektonisches und akustisches Meisterwerk für alle Australier, die Aborigines und Menschen weltweit, die sich den Genuss der Oper gönnen können und so von den Errungenschaften der heutigen Zeit und der damit verbundenen, staatlich gewollten und verantworteten, gesellschaftlichen Wohlstandsverteilung profitieren.

Nach meiner Wallfahrt zum heiligen Ort zog ich über einen weiteren Park zur Haltestelle des Sightseeing-Busses, bei der Hitze Gott sei Dank nur 500m. Neues Ziel war das Villenviertel von Sydney Außenbereich draußen am Pazifikrand, wobei der Bondi Beach sich als eine weitere große Sandbucht darstellt mit einem wahrlichen grün- blauem Farbspecktakel im Wasser. Dazu hunderte von Badegästen und ebenso viele Autos. Ein Tipp für Raucher und Trinker: Alkohol und Rauchen sind am Strand verboten. Näherliegende Strände in Europa bieten Gleiches mit Alkohol und Raucherlaubnis. Das ist keine Wertung nur eine Feststellung.

Die Fahrt durch die Villenviertel machte auch klar, dass Sydney eine reiche Stadt zu sein scheint. Da kommen schnell mal ein paar tausend Villen im Außenbereich zusammen, was die Stadt in der Fläche enorm groß erscheinen lässt. Und die Stadt wächst weiter, weil immer noch Villen von den neu hinzukommenden Besser-verdienenden benötigt werden. Dazu dürfte kommen, dass einige der heutigen Touristen in Zukunft in die Lage kommen werden, sich den Villentraum hier zu realisieren und sei es als Geldanlage.

Um 17 Uhr war ich mit dem Bus wieder am Centralbahnhof und weitere 10 Minuten später per Fuß beim Hotel. Im davor gelegenen Starbucks noch das Abendessen in Form eines Sandwiches und eines Cappu eingenommen und dann ein Stunde im Hotelzimmer entspannt. Geschafft! Sydney abgehakt und Vorfreude auf die Abfahrt am nächsten Tag. Um 20 Uhr war ich wieder im Palace Hotel um die Ecke an meinem Tisch im Freien und trank ein kleines 0,2 ltr. Bier und schloss den Tag mit den gleichen Beobachtungen ab wie am Vorabend. Hektik und Betriebsamkeit. Wer heute Abend fehlte war Jimmy, was mich bewog ein zweites kleines Bier zu genießen und der aufgeregten Unterhaltung von zwei deutschen Backpackerinnen am Nachbartisch zu lauschen. Sie waren auf der Rückreise von der East Coast und erzählten begeistert von den Hot Spots, von den Strandrennen, den Schnellbooten und den vielen Bars und Shops und natürlich von den vielen netten Jungs. Allerdings war das Wehklagen über die Überfüllung der Tourismusgebiete als immer störendes Element mehr als deutlich zu hören.
Das Tourismuskonzept bietet eben für Alle alle Möglichkeiten. Jeder muss sich nur das rauspicken, was für ihn passt und die negativen Begleiterscheinungen in Kauf nehmen. So einfach funktioniert das.

Nachtrag:
Die Einfahrt nach Sydney hat mich heute Nacht sogar im Traum beschäftigt.
Erinnerungen an die ersten Erzählungen von Nachbarn, sie wären in Italien gewesen am Meer. Das war in den 60iger, als Italien das erste Ziel der Deutschen als Urlaubsziel wurden und zigtausende mit ihren VW-Käfern, Opel Kadetts im Sommer über die einstigen Fischerdörfer herfielen. Trotzdem ging es Jahres, bis aus den verträumten Orten Superabfertigungsbetriebe wurden. Das Bauen von Bettenburgen dauerte noch länger und die Werbung für die einzelnen Orte war meilenweit hinter der heutigen Werbung her.
So wie seinerzeit die Deutschen über Italien herfielen, so gibt es heute einen Massenansturm aus asiatischen Ländern auf Australien. Jeder etwas zu Wohlstand Gekommene muss hierher und wenn, dann an alle Hot Spots. Wenn aber von 1,4 Milliarden Chinesen nur 10% zu Wohlstand kommen, dann reisen auf einen Schlag plötzlich 140 Millionen. Alle Länder im asiatischen Raum haben inzwischen Wirtschaftswachstumsgewinner , was die Zahlen der möglichen Touristen, die innerhalb weniger Jahre auf den Markt kommen, weiter erhöhen wird. Weltweit ob hier oder auf anderen Kontinenten. Ein gigantischer Markt wird noch riesiger.
Meine Reiseleiterin in Peking, Mary Dou, war vor zwei Jahren 1 oder 2 Mal pro Jahr in Europa mit chinesischen Reisegruppen. Heute könnte sie alle 14 Tage eine Reise antreten und mit ihr hunderte andere Reiseleiter. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Flugplätze ist derzeit noch das Hauptproblem. Der Klimakiller Nr. 1 wird auf diese Weise zu einer neuen Herausforderung der Umweltfürsorge, die damit weiter ins Hintertreffen gerät.
Anmerkung: Da wirken dann Hinweise in Gasthäuser auf den Straßenterrassen wie ein Hohn, wenn dort Rauchen verboten wird, weil vorbeigehenden Fußgänger belästigt werden könnten und daneben rollt die Blechlawine 4-spurig vorbei. (Sydney, Starbucks-Café nach einer Empfehlung irgendeiner Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Gaststättenverband)

Das Internet wirkt hier wie ein Turbolader beim Diesel. Er beschleunigt den Prozess in einer Art und Weise, dass selbst heutige Bauverfahren nicht schnell genug Bettenburgen bauen können, wie sie benötigt werden. – Der weltweite Turbokapitalismus hat per Kaiserschnitt ein weiteres Kind geboren. Das Sorgenkind Turboverarmung hat mit dem Turbotourismus endlich ein Geschwisterchen bekommen für all diejenigen die beim Gasgeben von Hause aus oder mit etwas Glück im Auto saßen und nicht auf dem Anhänger. Der wurde wegen seiner Last einfach abgekoppelt. Allerdings – und das kann man täglich in den Medien erfahren – kommen die abgekoppelten Unglücksraben und Rabbinen mit etwas Verzögerung jetzt zu Fuß oder mit dem Boot aber auch dahin, wo die bunten Vögel und Vögelinnen schon viele Jahre eine schöne Zeit hatten.

Damit kein falscher Eindruck entsteht. Diese Reise macht viel mehr Freude, wie ich mir das hätte vorstellen können. Aber nur Durchreisen ohne sich mit offenen Fragen dieser Regionen zu beschäftigen wäre nicht mein Ding.

Ahoy und weiterhin einen ruhigen Advent
Wilfried