Reisebulletin Nr. 3 – Südsee – Ankunft Australien

Nach 32 Tagen einer tollen Reise mit ca. 11500km Bahn und 8500km Schiff bin ich bei Felix in Brisbane angekommen. Hochhaus mit Glasfront, 18ter Stock. Da fällt man auf , wenn man mit Gitarre und dem alten Tramper Rucksack von vor 45 Jahren auftaucht. Die junge Dame an der Rezeption dachte sicher im ersten Moment, da läuft der Film „DENN SIE WISSEN NICHT,WAS SIE TUN“. Der riesigen Rucksack voller Erlebnisse und Anekdoten ist Gott sei Dank nicht sichtbar. Bei den Anekdoten sieht man schon in vielen Situationen, dass man auf dem Lande lebt und vom Leben in den heutigen Millionenstädten geradezu überrumpelt wird :-)

In Shanghai und Hongkong hatte ich noch auf die modernen Hochfinanz-Tempel aus Glas und Beton hochgeschaut, jetzt wohne ich vorübergehend in einem solchen. Wenn von soweit oben runterschaut, kann schon mal die Bodenhaftung verloren gehen. Eine kurze, nicht ganz ernst gemeinte Abschweifung sei erlaubt: Was in diesem Appartement fehlt ist einzig und alleine die bei solchen Wohnungen übliche Dekoration, das 100% Aufgeräumte, die weißen Deckchen auf dem Balkontisch mit einer Fruchtschale aus Südseefrüchten und der gekühlte Champus in hochstieligen Gläsern, die wir natürlich im Stehen und langsam Gehen in kleinen Schlucken zu uns nehmen und dabei in eleganten Anzügen oder Leinenkombinationen über dies und Jenes plaudern, während wir durch die Glasfronten aus dem 18 Stock über Brisbane blicken, uns bewusst, dass wir zu den besser Verdienenden gehören und die armen Bauarbeiter von gegenüber loben für ihre wirklich gute Arbeit am neuen Appartementhochhaus, wo sie nie wohnen werden. Vielleicht auch nicht wollen oder sollen? :-)

Hanfwerke Oberachern, Berlin, Moskau, Transibirische Bahn , Peking, Shanghai, Honkong und dann 11 Tage mit dem Containerschiff. Traumhafte Tage muss ich zugeben, so ganz ohne Verpflichtungen, nur tun und lassen, was ich wollte sogar mit Musik-Auftritt auf dem Schiff, bei dem ich ein schnell getextetes Lied in Badenglisch zur Äquatortaufe zum Besten gab. Die Taufe selbst war eine mord´s Gaudi. Lange nicht mehr so gelacht.

Mit einer Kajüte so um die 45m2, Vollverpflegung und freier Beweglichkeit auf dem Schiff für mich eher ein schwimmendes Hotel. Immerhin, täglich 2 Mal Wanderung um das Schiff mit 300m Länge und 40m Breite, so viel km laufe ich sonst in einem halben Jahr nicht. Mit dem Kapitän verband mich die Musik, da er Bob Dylan, Mark Knopfler etc. als seine Lieblingsmusik sieht und noch vieles mehr. Da haben wir dann schon mal eine Flasche miteinander in seiner Kapitänssuite ins Jenseits befördert, mit der obigen Musikbegleitung unserer alten großen Herren des Folk etc. Da ist in wenigen Tagen eine richtige gute und freundschaftliche Beziehung entstanden, die über den Tag hinaus dauern könnte.

Gibt viel zu erzählen, viele Anekdoten zum Schmunzeln und halb totlachen, wenn man als Bauer vom Lande in die Großstädte der Welt kommt und sich mit meinem Badenglisch mit den Eingeborenen (darf man die so nennen???) mittels deren Russenglisch oder Chinenglisch verständigt. Da passieren dann schon mal Pannen :-)

Und jetzt sitze ich in der Luxuswohnung von Felix im 18 Stock . Er muss ja, wie sich das für unsere monetären Unterhaltsverpflichteten gehört, im Büro schuften, während sich der Alte auf seine Kosten einen schlanken Lenz macht und sich auf Bismarcks Rentenkonzept beruft.

Von Honkgong bis Brisbane auf dem Schiff gab´s keine Nachrichten. Eine schöne ruhige digitalfreie Zeit, für mich. Nix Mail, nix SMS. Das Schiff hat ein eigenes geschlossenes Informationssystem nur für interne Kommunikation mit der Firma.

Infos zum Schiff:
Das Schiff selbst ist eines von 6 Schiffen, das quasi Linienverkehr fährt mit 4200 Containern.
Schnittgeschwindigkeit: 17 Knoten = ca. 31km/h, 660 am Tag
Höchstgeschwindigkeit: 25 Knoten = ca. 42km/h
Antrieb: max. 50000 Pferde ziehen den Kahn durch die Südsee.
Saufen: jeden Tag 100 to Flüssigfutter
Tiefgang: 11 m Höhe
Brücke: 35m – also gute Fernsicht

Die AGLAIA fährt stundengenau Linie in der Südsee. Ankunfts- und Abfahrtszeit exakt festgelegt. Honkong – Brisbane – Auckland – Busam (Korea) – Kobe (Japan) – Shanghai – Hongkong – Brisbane. 6 Wochen ein Rundlauf. Fast wäre ich an Bord geblieben und nach Neuseeland gefahren, aber Felix hat hier schon eine Freizeitprogramm organisiert.

Ende der Woche machen wir dann 10 Tage auf Tourist und befahren die Ostküste, tauchen am Great Barrier Riff, Linksverkehr üben etc. während in Deutschland ein paar unterschiedlich gefärbte Kleinkinder im Sandkasten oder im Hühnerstall – der Gockel wegen – Politik spielen. Vom Ausland her betrachtet versteht man die Welt nicht, wenn man dieses politische Schmierentheater in den Nachrichten sieht.

Als Kontrast zur deutschen Tagespolitik der Jamaikagesellen ein Auszug aus dem Reisetagebuch – zwischen Papua-Neuguinea und Australien

Auszug aus dem Reisetagebuch: (ist schon einige Tage her)

17.11.17 – Tag 8 auf See – rechts Australien-Nord-Eastküste – links die weite Südsee mit Inseln

Der Morgen beginnt um 5,00 Uhr, da die Durchfahrt einer Korallenriffgruppe mit einem schmalen Fahrstreifen vor uns liegt. Der Kapitän geht selbst ans Steuer, da diese Passage nicht automatisiert gefahren werden darf. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Ein atemberaubender Sonnenaufgang, kleine Inseln im Meer mit den berühmten Palmstränden, aber zu weit weg, um Details zu erkennen.

Während der ziemlich konzentrierten Durchfahrt fällt mir das Lied „Wir lagen vor Madagaskar“ ein und der Satz „.. liefen wir auf ein Riff. Ahoy Kameraden….“. Das Korallenriff zieht sich an dieser Stelle über viele Meilen und die Passage ist die einzige, die mit einer Wassertiefe von 150 bis 250m von alle Schiffen passiert werden kann. Ohne diese Fahrrinne wäre ein zeitraubender Umweg notwendig. Gut möglich, dass hier mancher Seefahrer zuerst eine unerfreuliche und nasse Bekanntschaft mit einem Riff und dann mit den Bewohnern der Inseln gemacht hat. Gutes Benehmen half in diesem Falle eventuell über die Landung im Kochtopf hinweg. James Cook hatte Pech. Er wurde auf Hawaii von den dortigen Bewohnern als Abwechslung zum ewige Fisch- und Kokosnussessen gesehen.

Im Prinzip sieht es auf der Karte dramatischer aus, wie es dann tatsächlich abläuft, wobei neben dem Kapitän und dem 1. Officer noch ein Steuermann ziemlich konzentriert bei der Sache waren incl. einer ständigen Beobachtung des Meeres mit dem Fernglas. Schon lange vor der Passage wurde über die Erhöhung der Geschwindigkeit ein Zusammentreffen mit einem entgegenkommenden Containerschiff von vornherein ausgeschlossen. – Der Mensch denkt und die Technik erledigt dann den Rest.

Hier draußen gibt es weit und breit kein süchtig machendes Netz, sondern nur die sättigenden Fischernetzen der Eingeborenen, sofern man diesen Begriff heutzutage überhaupt noch ungestraft verwenden darf. Wahrscheinlich müsste man sagen, es handelt sich um „Die hier auf natürliche Weise zur Welt Gekommenen“. Der Rest auf den Inseln sind Eingeschiffte, Schiffende oder Eingeflogene, jedenfalls aus anderen Kulturen Stammende. Nachfolger von James Cook oder anderen Entdeckern, die sich einen Teufel um die Kultur der eroberten Völker scherten und im Namen des Christentums mit Feuer und Schwert durch die Länder zogen.

Eine Beschäftigung, die sich im Laufe der Jahrhunderte stark veränderte. Heute haben Dollars und anderen Heilsversprechungen das Feuer und Schwert ersetzt und Ökonomen versprechen den Völkern eine bessere Zukunft. Sie meinen aber nicht die Völker sondern einige wenige Auserwählte oder besonders Geschäftstüchtige – am besten mit Beziehungen in die oberen Schichten- die sich dumm und dämlich daran verdienen. Dumm und dämlich ist auch die dafür verwendete Begründung, dass die Vorangehenden alle hinter sich her in bessere Zeiten führen. Die einfachste Art jede ungerechte Güterverteilung auf der Welt zu begründen.

Wenn wir aber schon bei dem Thema Beschäftigung sind, ein paar Worte zur Reise mit Containerschiffen. Hat aber nichts mit Feuer und Schwert zu tun, sondern mit einer zusammenfassenden Einschätzung, für wen eine solche Reise ein Traum und für wen sie ein Alptraum werden könnte.

Was nicht passen würde, wären Erwartungen an irgendein Freizeitprogramm seitens der schwimmenden Transportfabrik. Sie bietet ausschließlich Sightseeing, meist gleichförmige und unterschiedlich bewegte offene See ,unterbrochen von landschaftlichen Sensationen, wenn diese nicht gerade in die Nacht fallen. Da die Fahrzeiten nahezu minutengenau getaktet sind, kann man sich im Prinzip bereits vorher die Aufstehzeiten notieren, wenn man in den frühen Morgenstunden dies und das nicht verpassen möchte . z.B. zwischen Honkong und Brisbane die Durchfahrt durch eine enge Passage zwischen Korallenriffen oder an den rauchenden Vulkanen in Papua Neuguinea. Das wird den Fahrplan nicht ändern, auch wenn es dadurch nachts am schönsten Punkt der Erde vorbeifährt. – Darüber muss man sich im Klaren sein.

Entschädigt wird man mit einer Kajüte mit permanenter Fernsicht aufs Meer oder andere traumhafte Kulissen. Dazu mit etwas Glück die Eignerkabine mit 35-45 m2. In einer Hochglanzwerbebroschüre würde von einer schwimmenden 40m2-Hotelsuite mit Meeresblick geschwärmt werden mit Privatpool und Vollverpflegung. Das Ganze für ca. 100 Euro/Tag. Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung inclusive. Fotos vor rauchendem Vulkanen auch.

Wer seinen Körper hart ran nehmen will, dem steht ein Fitnessstudio mit allem Drum und Dran zur Verfügung. Auch ein TT-Raum.

Wer gerne Videos schaut oder Musik hört, sollte sich welche auf dem Stick oder einer Festplatte mitbringen. Sinnvollerweise den Kopfhörer gleich mit, damit die arbeitenden Wohnzimmernachbarn sich nicht an der Wand abarbeiten müssen, bis Du sie hörst.

Wer gerne liest, der sollte sein E-Book dabei haben und kann hier die ganze Nacht durchlesen und den Tag verschlafen. Spielt hier alles keine Rolle. Es wird kein Hotelpersonal klopfen und sauber machen wollen.

Wer zuhause nie dazukommt, von den viel zu vielen digitalen oder normalen Fotos, die Spreu vom Weizen zu trennen oder andere Ordnungsvorhaben mit sich herumträgt. Hier bist Du richtig. Ungestört kannst du Dich ausbreiten und alles liegen lassen, wenn Dir die Sortiererrei zum Halse raushängt und Du für ein paar Stunden die Nase in den Seewind stellen willst.

Wer gerne Musik macht – im Rahmen gewisser Lautstärken – kann hier nach Lust und Laune üben. Notfalls den Kapitän fragen, welcher Raum dafür am geeignetsten ist. Trompeten und Alphörner sind am Besten am Bug Deck aufgehoben, 200m entfernt von der Brücke. Die geltenden internationalen Fischschutzbestimmungen enthalten keine Regelungen, die nerventötendes Trompeten verbieten. Alphörner können bis zu einer Länge von 20m geprobt werden. Aber Vorsicht vor den Harpunen, wenn Walfänger in der Gegend rumfahren und das Alphorn mit dem Sound des Wals verwechseln können wenn der auftaucht.

Wer sich normalerweise gerne reden hört, kann hier noch mehr reden ohne jemandem auf die Nerven zu gehen. Das Meer hört geduldig zu, niemand hört mit. – Wer aber meint, alle um ihn herum lieben seinen Redeschwall, sollte hier vorsichtig sein. Nicht immer stoppt ein Schiff, wenn es „Mann über Bord“ heißt. Sind es geistreiche Worte für das Volk und die Ewigkeit, dann einen Voice-Recoder mitbringen. Es wäre schade, wenn hier entstandene Zukunftstheorien und Weltrettungsthesen verloren gingen. Im nächsten Hafen können sie direkt über das Internet in die weite Welt geschickt werden. Nach der Rückkehr von der Reise kann man dann zuhause selbst die verändernde Wirkung jener nächtlichen Rede an die Völker und Weine der Welt feststellen.

Als Hobbymusiker kann ich nur empfehlen, auf jeden Fall den Voice-Rekorder mitzunehmen. Es lässt sich nicht vermeiden, dass man über die nach und nach aufkommende innerliche Ruhe neue Gedanken fasst und diese in einen Song umsetzen möchte. Aufschreiben, aufnehmen!

Bei all diesen möglichen Beschäftigungen und Ablenkungen würde ich trotzdem zum Schluss kommen: wer nichts mit sich anzufangen weiß und Schwierigkeiten hat mit dem Alleinsein, der ist hier falsch am Platze. Wer die Ruhe und Gleichförmigkeit der Tage nicht als Entspannung genießen kann, sollte lieber mit den Donau- oder Rheinschiffen fahren oder gleich mit dem Kreuzfahrschiff. Da wird all das geboten und noch viel mehr, was ihm die schwimmende Transportfabrik nicht bieten kann.

Jetzt ist es kurz vor 10 Uhr, Zeit für die tägliche Morgenwanderung. Bin gerade von Deck A nochmals zurück – 120 Stufen hoch und runter – weil ich vergessen hatte die CD-Memory-Card in den Foto einzulegen. Hier gilt auch für mich: „Wer es nicht im Kopf hat, der hat´s in den Beinen. Die meisten Profi-Fußballer sind Beweise für diese in meinem Fall wohl leider auch stimmende Theorie.

11 Uhr-Kaffee in der Suite. Eine Regen- und Gewitterfront hat meine Träume auf meinem Lieblingsplatz, dem Bug-Poller, jäh beendet und mich zu einem Spurt zurück genötigt. Ich hatte auf dem Hinweg einen Matrosen mit Farbeimer gesehen , was eine Wetteränderung als unwahrscheinlich erscheinen ließ. Erst südlich warme, ziemlich große und rasant zunehmende Regentropfen machten aus der Wanderung einen 200m-Sprint ins Cafe „Kapitän“.

Das Beste bei der Kaffeepause: meine Hanu* verwöhnt jedes Mal – immer mit dem gleichen, aber süchtig machenden Geschmack – meinen Mund. Ein ganz anders Verhalten am Abend. Da schmollte sie immer auf dem Schreibtisch rum und schaut eifersüchtig rüber, wenn mich Miguela** mit dem unvergleichlichen Geschmack einer Spanierin auf dem Sofa verwöhnt.

Und das, obwohl ich ihr jeden Abend erkläre, dass die Miguela nicht aus Spanien sondern aus Honkong, New Territories stammt. Genau von dort, wo ich der falschen Fähre entstiegen bin und statt des Cappuccinos den Gesundbrunnentrunk bekommen hatte, dessen Geschmack ich heute noch im Mund habe, aber im Spiegel keinerlei Verjüngung sehe. Aber das ist eine andere Geschichte.

* = Hanuta
** = San Miguel Bier

Ende Tagesbericht, wovon es inzwischen 34 gibt.

Ahoy Wilfried